Bergmannsverein Erfurt e.V. Kali-Ingenieurbüro 1955-1992



Das Zitat von GEORGIUS AGRICOLA (1494-1555) "Zum Bergbau ist ein großer Verstand und weit mehr Kunst als Arbeit gehörig" und die Devise aus dem Schwarzer Bergbuch (1556) "Bergbau ist nicht eines Mannes Sache allein" machte schon damals deutlich, wie bedeutsam ingenieurtechnische Leistungen für den Bergbau sind. AGRICOLA hat in seinen zwölf Büchern (12 verschiedenen Fachrichtungen) vom Berg- und Hüttenwesen schon vor rund 450 Jahren sehr anschaulich die "Kunst des Bergbaus" beschrieben. Darüber hinaus befasste er sich auch mit den gesundheitsschädlichen Gefahren für den Bergmann, die vom Berg ausgehen, wenn der Bergmann in seine Tiefe eindringt. Er gab als Arzt dazu Empfehlungen, wie der Bergmann ihnen begegnen kann, um nicht gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Dies dürfte wohl die erste schriftlich belegte Arbeitsschutzanweisung in Deutschland sein.

Mit der Industrialisierung und dem damit verbundenen Vorstoß des Bergmanns in immer weitere Tiefen entwickelten sich die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Fachrichtungen, die benötigt werden, um erfolgreich Bergbau zu betreiben. So wird der Bergbauingenieur beim Vorstoß in die Tiefe und der Hebung der Schätze der Erde insbesondere von den Geologen, Markscheidern, Maschinen-, Elektro- und Verfahrensingenieuren unterstützt. Der Bergbauingenieur muss daher über ein sehr breites Fachwissen verfügen, um diese sehr unterschiedlichen Fachrichtungen erfolgreich in seine Arbeit, die Gewinnung von Rohstoffen, einbeziehen zu können, was den Beruf aber umso interessanter macht.

Aus dieser Notwendigkeit heraus, zu einer besonders für den Bergbau sehr wichtigen Teamarbeit zu kommen, entwickelten sich u. a. spezielle Ingenieurunternehmen für einzelne Bergbauzweige, wie Kohle, Erz oder Salz.

Für die mitteldeutsche Kali-, Steinsalz- und Spatindustrie in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) stand das Kali-Ingenieurbüro Erfurt mit seinen vielfältigen Ingenieurdisziplinen von 1952 bis 1990 zur Verfügung. Nach 1990 ist das Kali-Ingenieurbüro für die gesamte deutsche und ab 1995 weltweit für die Kali- und Steinsalzindustrie erfolgreich tätig.

Der Grundstein für die Gründung des Kali-Ingenieurbüros liegt im Ende des II. Weltkrieges und dem Einzug der sowjetischen Besatzungsmacht in Thüringen im Juli 1945, als die kriegsbedingt stillgelegten Kaligruben in die staatliche Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) überführt wurden und dies zur Begleichung der Reparationsansprüche die Gewinnung von Kalisalz schnellstmöglich wieder aufnehmen sollten. Da mehrere Kaliwerke im II. Weltkrieg zweckentfremdet als Heeresmunitionsanstalten umfunktioniert wurden, mussten diese erstmal wieder für die Rohsalzförderung hergerichtet werden. Dafür wurden Ingenieurabteilungen gegründet, die bis 1952 unter sowjetischer Verwaltung standen.

Die im Jahr 1949 gegründete Staatliche Aktiengesellschaft für Kalidüngemittel "Kali", Zweigniederlassung Erfurt, verwaltete die drei Sowjetischen AG für Kalidüngemittel "Kainit" (Bleicherode/Sollstedt/Unterbreizbach), "Sylvinit" (Bischofferode/Volkenroda) und "Kali" (Merkers/Dorndorf). Die Grube Sondershausen wurde schon im Jahr 1947 an die Thüringer Landesregierung rückübertragen. Die Zweigniederlassung befand sich bis 1952 in den Räumen der ehemaligen Oberpostdirektion am Beethovenplatz 3 in Erfurt. Das Unternehmen beschäftigte zu dieser Zeit etwa 140 Mitarbeiter, davon ca. 20 sowjetische Führungskräfte und Ingenieure. Ihre Aufgabe bestand darin, schnellstmöglich die Gruben und Fabriken anzufahren und die Produktion zu gewährleisten.

Am 1. Mai 1950 übergab die Regierung der UdSSR die SAG-Betriebe der Kaliindustrie der DDR-Regierung. Die Verwaltung der gesamten Kaliindustrie in der DDR wurde im Haus Karl-Marx-Platz 3, Erfurt, vorübergehend eingerichtet, die jedoch noch im selben Jahr zur Regierung der DDR nach Berlin als neue Hauptverwaltung "Kali und Nichterzbergbau" wechselte. Einige Verwaltungsstellen verblieben jedoch in Erfurt, um in der Nähe der Produktionsstätten zu bleiben, so auch das Projektierungsbüro in der Beethovenstraße 3 Erfurt, das nunmehr den Namen ZPKB VEB, Zentrales Projektierungs- und Konstruktionsbüro für die Kali-Industrie und den Nichterzbergbau, trug. Mit dem 1. Januar 1954 begannen für das Ingenieurbüro wechselhafte Zeiten in Bezug auf deren Zuordnung zur Kali- und Salzindustrie der DDR. Trotzdem wurden bereits sehr vielfältige Aufgaben bearbeitet, wie z. B. die Einführung des Akku-Lokbetriebes oder neuer leistungsfähiger Schrapper in der Abbauförderung.

Mit der Verordnung zur Gründung des Kali-Ingenieurbüros am 30.12.1955 wurde ein leistungsfähiges Büro mit den sechs Fachabteilungen Bergbau, Fabrik, Elektrotechnik, Automatisierungstechnik, Bau und Instandhaltung aufgebaut. Anfänglich waren rund 230 Mitarbeitern im Ingenieurbüro beschäftigt. Ende 1957 zog das Ingenieurbüro in das neue Verwaltungsgebäude für die Kaliindustrie in die Klement-Gottwald-Straße 28, heute Arnstädter Str. 28, ein.

Das Büro arbeitete, wie alle anderen Kalibetriebe, weitgehend selbstständig im Rahmen der Vereinigung Volkseigener Betrieb Kali. Bis 1969 wurden durch das Kali-Ingenieurbüro zahlreiche Investitionen in den Südharzwerken sowie in Bernburg und Zielitz zur Ausführung gebracht. Mit der weiteren Technisierung der Kaliwerke veränderten sich auch die Strukturen im Kaliingenieurbüro, sie wurden den zu lösenden Aufgaben ständig angepasst.

Im Jahr 1959 kam es zur Bildung einer Abteilung Ingenieurökonomie, die sich ausschließlich mit der Wirtschaftlichkeit von Ingenieurprojekten befasste.

Mit der Bildung des Kombinates Kali im Jahr 1970 verlor das Kali-Ingenieurbüro seine Selbstständigkeit, jedoch blieben die Aufgaben, die Erbringung von Projektierungsleistungen und die ingenieurtechnische Überwachung zur Realisierung von Investitionen im Kali- und Salzbergbau, die gleichen.

Zu den zahlreichen Investitionsvorhaben dieses Industriezweiges gehörte z. B. die Einführung von Bergbaugroßgeräten in der Kali- und Steinsalzgewinnung unter Tage, die eine Vielzahl von neuen technischen Entwicklungen in der Abbauförderung bis hin zur Schachtförderung aber auch in den verarbeitenden Fabriken zur Folge hatten. Weitere Schwerpunkte waren die Projektierung des neuen Kaliwerkes Zielitz, dass die Gewinnung im Jahr 1973 aufnahm, die Carnallititsolung in Kehmstedt-Bleicherode, die Magnesiumchloridanlage und Bromfabrik in Sondershausen, die Kapazitätserweiterung für die Schiffsverladung in den Häfen Wismar und Rostock und die Einlagerung von festen mittel- und niedrigradioaktiven Abfällen im Salzbergwerk Morsleben.

Zum Beginn des Jahres 1990 hatte das Kali-Ingenieurbüro 369 Mitarbeiter. Die eingeleitete politische Wende in den neuen Bundesländern und die damit einhergehenden veränderten Marktbedingungen für die Kali- und Steinsalzgewinnende Industrie blieben auch nicht ohne Folgen für das Kali-Ingenieurbüro.

Mit dem Gesetz zur Umwandlung der volkseigenen Kombinate in Kapitalgesellschaften entstand am 01.07.1990 die Mitteldeutsche KALI AG mit ihren Tochtergesellschaften, davon war eine das Kali-Ingenieurbüro. Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, einen separaten Gesellschafter für das Ingenieurbüro zu finden, um dessen Existenz zu erhalten oder schnell abwickeln zu können. Beides war mit einem erheblichen bzw. vollständigen Personalabbau verbunden. Da kein Gesellschafter für das Ingenieurbüro gefunden werden konnte, gab es nur noch eine Lösung für das Überleben, die Weiterführung der Geschäfte durch eine Gruppe von Führungskräften mittels eines Management-Buy-Out. Die von 11 Gesellschaftern gegründete ERCOSPLAN GmbH nahm am 1. Juli 1992 mit 70 ehemaligen Mitarbeitern aus dem Kali-Ingenieurbüro ihre Tätigkeit auf. Damit begann eine neue Epoche für das Kali-Ingenieurbüro.

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